In der Corona-Krise hört man immer wieder von Beschäftigten, insbesondere aus Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die aufgrund der hohen Arbeitsbelastung zunehmend erschöpft sind. Dr. Sylvia Rabstein, Epidemiologin aus dem Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA) erklärt, wie man Erschöpfungszustände erkennt und gegensteuern kann.
Was ist ein Erschöpfungssyndrom und wie macht es sich bemerkbar?
Das Erschöpfungssyndrom, auch Fatigue genannt, macht sich bemerkbar durch starke Ermüdung oder Schläfrigkeit. Es ist eine Reaktion des Körpers auf Schlafmangel oder auf längere körperliche oder geistige Anstrengung. Auch verschiedene schwere Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs können zu Fatigue führen, diese sind aber von der erschöpfungsbedingten Fatigue abzugrenzen. Im konkreten Fall können Blinzeln, Reiben der Augen, Gähnen und mangelnde Konzentrations- und Merkfähigkeit Anzeichen für eine Fatigue sein. Betroffene zeigen oft auch eine geringere Reaktion auf Ansprache und berichten von Kopfschmerzen oder Schwindel.
Welche Risiken sind damit verbunden?
Dauert das Erschöpfungssyndrom an, kann sich das Risiko schwerwiegender Fehler oder Unfälle infolge verringerter Reaktionszeiten erhöhen. Für die Betroffenen kann es schwierig werden, auch einfache Tätigkeiten durchzuführen. Depressionen oder das Nachlassen der Motivation sind manchmal die Folgen. Die Risikobereitschaft kann ebenfalls erhöht sein, verringern können sich hingegen die Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit. Längerfristig führt dies zu Störungen der Psyche und der Immunabwehr oder zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Eine Ursache ist akuter und chronischer Schlafmangel, was sollte man beachten?
Der Körper kann sich an Schlafmangel nicht gewöhnen. Zwar ist die Schlafdauer von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt auch von verschiedenen zum Beispiel genetischen Faktoren ab, aber allgemein werden mindestens sieben bis acht Stunden Schlaf in der Nacht empfohlen. Zu beachten ist, dass sowohl akuter Schlafmangel als auch längere Episoden mit verkürztem Schlaf Fatigue auslösen können. Studien haben gezeigt, dass schon ein bis zwei Stunden weniger Schlaf pro Tag die Aufmerksamkeit stark beeinträchtigen können. Hierbei ist zu beachten, dass akuter Schlafmangel schneller ausgeglichen werden kann als chronischer. Akuter Schlafmangel kann meist schon durch ein oder zwei Nächte mit längerem Schlaf ausgeglichen werden. Bei längeren Phasen mit ungenügendem Schlaf sind auch längere Erholungsphasen bis zu einer Woche oder länger notwendig. Konkret heißt das: Nach längeren Phasen mit schlechtem Schlaf reicht eine Nacht mit zehn Stunden Schlaf nicht aus.
Was können Betroffene tun?
Erschöpfungszustände können nicht immer vermieden werden, jedoch sollte man insbesondere in belastenden Phasen darauf achten, seinen Schlaf zu verbessern. Dies beinhaltet eine gute Schlafroutine, dunkle und ruhige Schlafumgebung und natürlich genug Zeit zum Schlafen. Kurze „Nickerchen“ von einer halben Stunde können helfen. Diese sollten jedoch nicht zu kurz vor der eigentlichen Hauptschlafenszeit stattfinden, da dies später zu Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten führen kann. Dauert das (Wieder-)Einschlafen länger als circa 20 Minuten sollte besser der Schlafraum verlassen und eine eher langweilige Tätigkeit ausgeübt werden, bis man schläfrig genug ist. Der Konsum von Kaffee und Nikotin sowie zu helles Licht am Abend sollten vermieden werden. Tägliche Bewegung an der frischen Luft und bei Sonnenlicht kann ebenfalls helfen, den Schlaf zu verbessern.
Was können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber speziell in der Pandemie-Situation beachten?
In Betrieben, in denen die Arbeitszeit infolge der Coronapandemie verlängert oder auf Sonn- und Feiertage ausgedehnt wurde, ist es besonders wichtig, immer auch auf ausreichende Erholungszeiten zu achten. Dabei sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden: Beschäftigte können durch Arbeitsverdichtungen und Mehrarbeit infolge fehlender Kolleginnen und Kollegen stark belastet sein. Zusätzlich kann es im privaten Umfeld, zum Beispiel durch eine zusätzliche Kinderbetreuung oder Einsamkeit, zu psychischen Belastungen kommen. Auch Ängste um mögliche Infektionen oder gar wirtschaftliche Folgen der Pandemie können belastend wirken. Hier kann das persönliche Gespräch oder aber das Angebot eines unterstützenden Dienstes weiterhelfen.